24 – Rassistisch-westliche Polemik?


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    Berliner Zeitung vom 22.02.06

    Schuss ins Knie –
    In der US-Serie „24“ auf RTL 2 werden Folter und Rechtsbruch legitimiert

    von Andreas Förster

    Ein rassistischer Hass-Film sei der Streifen, wettert Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber. Der Film leiste Ressentiments Vorschub, spalte Kulturen und radikalisiere vor allem Jugendliche, pflichtet ihm Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech bei. Und Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet verlangt eine „politische Debatte“, weil der Film Hass schüre und die Religionen entfremde.

    Alles ist erlaubt

    Gegen welchen Film richtet sich die Politiker-Empörung? Klar, gegen den türkischen Kinofilm „Irak – Tal der Wölfe“, in dem ein türkischer Geheimagent in Einzelkämpfermanier US-Soldaten und Juden abschlachtet, die als unmenschliche Killermaschinen dargestellt sind. Verdient hätte sie aber auch die US-Fernsehserie „24“, in der ein amerikanischer Geheimagent in Einzelkämpfermanier nahöstliche Terroristen und Muslime abschlachtet, die als unmenschliche Killermaschinen dargestellt sind.

    Propagandafilme und rassistische Machwerke sind beide Streifen – weil der eine, das „Tal der Wölfe“, aber antiwestlich ausgerichtet ist, trifft er hierzulande auf Protest. Die US-Fernsehserie dagegen, in der zur familienfreundlichen Primetime am Wochenende auf RTL 2 nahöstliche Mörderbanden massakriert und Verdächtige brutal gefoltert werden, findet stillschweigende Akzeptanz. Liefert doch der Krieg gegen den Terrorismus, wie er uns in „24“ vorgespielt wird, genau die Argumente, mit denen seit den Anschlägen vom 11. September 2001 der Abbau von Bürgerrechten und Rechtsstaatlichkeit in westlichen Demokratien gerechtfertigt wird.

    In der gerade laufenden vierten Staffel von „24“ geht es um muslimische Terroristen, die die USA von der Landkarte zu tilgen versuchen. Superagent Jack Bauer verhindert das quasi im Alleingang, indem er störrischen Verdächtigen ins Knie schießt, Fliehende abknallt oder sie wortlos im Vorübergehen absticht.

    Die Gewaltexzesse kann man als übliche Zutaten eines Actionfilms abtun. Was „24“ – neben seiner rassistischen Attitüde – aber bedenklich macht, ist die darin propagierte Normalität des Rechtsbruchs. Im Kampf gegen Terroristen ist alles erlaubt, lautet die Botschaft der Serie.

    Danach handelt auch die Antiterroreinheit Counter Terrorism Unit (CTU), die zusammen mit Jack Bauer die Terroristen jagt. Die CTU ist in der Serie eine Art Superbehörde, die weitgehend außerhalb von Recht und Gesetz agieren darf. Sie kann ohne Genehmigung Telefongespräche abhören, hat direkten Zugriff auf alle Datenbanken (selbst die der Geheimdienste), auf Satelliten des US-Militärs und die Überwachungskameras im ganzen Land.

    Und sie darf „spezielle Verhörmethoden“ anwenden. Wenn es so weit ist, kommt CTU-Experte Eric mit seinem Spritzenkoffer und injiziert „Neuro-Transmitter, die jedes Nervenende im Körper wie Feuer brennen lassen“, wie es ein CTU-Agent in einer Folge beschreibt. Die mildere Foltervariante ist die „sensorische Desorientierung“ – das Opfer wird mit verzerrten elektronischen Geräuschen malträtiert, bis es Zeit- und Orientierungsgefühl verliert. Diese Folterpraktiken sind US-Geheimdiensten tatsächlich erlaubt. Menschenrechtsorganisationen protestieren aber immer wieder dagegen.

    Die Macher von „24“ stellen sich dieser Diskussion – allerdings auf ihre Weise. In der Folge am vergangenen Sonnabend verhinderte ein Vertreter von „Amnesty Global“ (die Anspielung auf amnesty international ist deutlich) die Folterung eines Verdächtigen, indem er dem von der CTU festgehaltenen Mann einen Anwalt zur Seite stellte. Alarmiert worden war die Organisation zuvor vom Terrorchef, der von der Festnahme seines Kumpans erfahren hatte. Was „24“ damit sagen will: Menschenrechtsgruppen, die sich für Bürgerrechte einsetzen, sind von Terroristen ferngesteuert.

    Genutzt hat der Einsatz von „Amnesty Global“ in dem Film ohnehin nichts. Der Verdächtige wird zwar von der CTU freigelassen, doch anschließend von Jack Bauer in die Mangel genommen, der ihm genüsslich die Finger bricht.

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